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Forest Punk

Forest Punk

Mein Name ist Dieter Klein, ich lebe und arbeite als Fotograf in Köln. Heute möchte ich Ihnen mein Projekt „Forest Punk” vorstellen.

Es begann damit, dass ich vor 3 Jahren zufällig auf einer Fahrradtour in Frankreich einen alten Citroen Kleinlastwagen in einem Holunderbusch entdeckte. So etwas hatte ich noch nie gesehen – die Szene, die ich dort sah, faszinierte mich auf eine merkwürdige Weise. Was hatte die Natur mit diesem Fahrzeug angestellt? Holt sie sich alles zurück?

Viele Jahrzenhte hatte diese Szenerie wohl niemanden gestört und nun vermittelt sie uns etwas Rätselhaftes und Traumähnliches. Die Faszination dieses Wandlungsprozesses hatte mich ergriffen. Nachdem ich weitere Orte mit solchen Objekten gefunden hatte, stellte sich immer wieder dieses seltsame Gefühl der Nähe und Faszination ein. Eine Mischung aus Freude und traumähnlicher Atmosphäre machte sich bemerkbar. Das Rauschen der Wälder, vereinzelte Vogel- und Tierstimmen trugen dazu bei, diese Empfindung zu intensivieren. Fragen stiegen in mir auf: Wer hatte die Fahrzeuge hier abgestellt? Wem haben Sie einmal gehört? Warum stehen sie seit Jahrzehnten unberührt im Wald? In meiner Vorstellung begannen die Menschen, die mit diesen Automobilen fuhren, Gestalt anzunehmen. Welche Dialoge fanden auf diesen Sitzen statt? Wieviel Lebendiges, Freude und Leid wurde in diesen Mobilen transportiert?

Und nun standen diese Pioniere der Beweglichkeit sonderbar still und unbewegt da. Eine fremde Stimmung und merkwürdige Berührtheit erfasste mich zusehends. Ich vergaß Raum und Zeit und fotografierte ununterbrochen. Ein Bild ergab sich und das nächste wartete schon. Viele dieser Orte sind bereits geräumt – für immer verloren im Unsichtbaren. In meinen Bildern lasse ich die Automobile nicht nur über ihre Zeit hinaus leben, sondern zeige auch die Szenerien des in-der-Zeit-Versinkens.  Ich betrete eine gewissermaßen zerbrochene und gleichzeitig zerbrechliche Welt. Diese kleinen, kurzen Ewigkeiten fotografieren zu können, ist für mich ein Geschenk.

105 Bilder habe ich für das Buch „Forest Punk“ aus Tausenden ausgewählt. Sie sind mein Vermächtnis an den Geist unserer Zeit.

Viele Informationen sind aus der ganzen Welt eingetroffen, wo es noch Plätze mit historischen Autos gibt. Viele sind „bedroht“ und werden abgeräumt. Die Zeitzeugen der erst 100-jährigen Automobilgeschichte verschwinden stellenweise ganz unbemerkt.

Buchinformationen:

  • Dieter Klein
  • Forest Punk
  • 160 Seiten, 105 Farbbilder
  • 380 x 280 mm, Softcover
  • Dieter-Klein-Verlag
  • € 58.00
  • ISBN 978-3-937907-44-4

Kommentar:

Gänsehaut! Faszination! Erstaunen! Ehrfurcht!

Im Grunde genommen gäbe es diesen Emotionen nichts hinzuzufügen, die einen beim Betrachten dieses grandiosen Bildbandes beschleichen oder überkommen, denn hier war ein wahrer Profi am Werk. Dieter Kleins Bilder treffen den Autoliebhaber mit gnadenloser Wucht. Hier stimmt einfach alles. Von der Bildkomposition bis zur Stimmung. Gehen die Bilder auf einer Seite schon durch Mark und Bein, ziehen jene auf den Doppelseiten den Betrachter kompromißlos in ihren Bann, saugen die Aufmerksamkeit geradezu auf. Ich gebe zu, noch nichts Vergleichbares zu Gesicht bekommen zu haben, das meine automobilistischen Gefühle derart in Wallung gebracht hätte.

Ob Makroaufnahme oder Weitwinkel - jedes Bild, jedes Motiv wirkt. Das habe ich so noch nicht erlebt. Die kurzen, doch treffenden Bildunterschriften unterstreichen die Aussage der Fotografie zusätzlich.

Sie liegen darnieder, aufgesogen vom Wald oder vom Boden. Die einst stolzen Statements einer aufstrebenden Gesellschaft. Die Statussymbole, einst in den Vorgärten der goldenen 50er und 60er auffällig geparkt. Jetzt unauffällig beiseite geräumt, weggeworfen, vergessen. Sich selbst und der unbarmherzigen Natur überlassen, die ihren Mantel ausgebreitet hat; nicht um zu schützen, sondern um zu zehren: Am Blech, am Holz, an der Substanz.

Da sehen wir zwei Käfer: Der eine, lächelnd gar, scheint sich mit seinem Schicksal arrangiert zu haben und das Beste daraus zu machen. Der andere hingegen, umrahmt vom Herbstlaub, nur noch seine Front wie beim Ertrinken aus dem Boden hebend und aus leeren Scheinwerfertöpfen glotzend, wartet auf den endgültigen Moment, da der Boden über seinem Kadaver zusammenschlägt und das Erdreich ihm ein feuchtes Grab bereitet.

Oder der einstige Stolz der Rennstrecke: Ein Jaguar XK120 Roadster! Wer wirft denn sowas weg? Er muß noch ganz passabel ausgesehen haben, bevor man ihn entsorgt hat. Sogar Startnummer und Rallyeschild zieren seinen sehnigen und muskulösen Körper. Auch Weißwandreifen hat man ihm als Zeichen der Wertschätzung spendiert. Jetzt stemmt er sich mit aller Gewalt den Naturereignissen entgegen. Will nicht untergehen, sondern überdauern - ohne Dach! Im Sommer sieht man seine vom Moos bereits sanft überzogene Haut, im Winter hingegen ist sie zugedeckt von der weißen Pracht, die reichlich vom Himmel fällt. Offenbar hat ihm die 218, seine Startnummer, kein Glück gebracht. Was mag geschehen sein, daß das Schicksal ihm einen Platz im Wald vorherbestimmt hat? Ist er in seinem letzten Rennen ausgefallen und hat sich damit den Zorn des Besitzers zugezogen?

Das sind die Geschichten, die einem unweigerlich durch den Kopf gehen, wenn man sich durch die 105 aufs Meisterliche in Szene gesetzten Fotografien blättert. Ein hastiges Durchblättern ist nicht möglich. Unweigerlich blebt das Auge stehen. Bei den Blechbergen, wenn Dieter Klein aufgetürmten Wracks seine ganze Aufmerksamkeit gewidmet hat oder bei den traurig aus leeren Scheinwerferhöhlen blickenden ehemaligen Gefährten einer saturierten Gesellschaft, die es sich leisten konnte, das ursprünglich hart ersparte Mobil nach dessen Gebrauch einfach wegzuwerfen.

Dieter Klein hat u.a. den Auslöser bei folgenden Fabrikaten gedrückt: Volvo, Ford, Saab, Austin, DKW, Tatra, Buick, Volkswagen Opel, Renault, uvm.

Dieses Buch ist ein Zeugnis unserer Wegwerfgesellschaft und ein wunderbarer Reiseführer durch die immer seltener werdenden Autofriedhöfe Deutschlands, Frankreichs und Schwedens. Fazit: Kaufen! (mdr)

   
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